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neuen Bildungsstufen des Menschengeschlechtes gelegt war. Der Römer selbst erkannte seine Aufgabe, daß, wie es die Bestim= mung von Hellas sei, durch Kunst und Wissenschaft die Welt zu bilden und zu belehren, so ihm der Auftrag geworden, mit eisernem Willen die Völker zu zügeln durch strenge Zucht und an Sitte und Ordnung zu gewöhnen durch das Gesetz:

Andere werden dem Erz einhauchen ein zarteres Leben, Mein' ich, und werden den Stein umwandeln in sprechende

Züge,

Führen im Rathe geschickter das Wort, mit dem Stabe be= schreiben

Himmlische Kreis' und die steigenden Sterne mit Namen benennen:

Du, o Römer, gedenke mit Macht die Völker zu leiten; Deine Künste sind dies: sie an friedlich Gesetz zu gewöhnen, Unterworfne zu schonen und niederzukriegen die Stolzen. 1) Deutsche Kraft brach den Völkern Europa's das Sklavenjoch der Römer. Aber die Sieger beugten sich der höhern Geistescultur der Besiegten, und zum zweiten Male schlang Rom ein gemeinsames Band um die Völker. Das religiöse Bildungselement, das in dem Gottesbewußtsein der Hebräer lag, ward durch das Christenthum Gemeingut und die Macht Roms schuf auch hier durch die Autorität seiner Päpste die Einheit, die der Zersplitterung und Auflösung entgegentrat, bis mit dem auferweckten Geiste des classischen Alterthums die schlummernden Keime einer freiern Entwicklung wieder aufgehen konnten. Der Muth eines deutschen Mönches zerriß die Ketten, mit welchen Rom die Geister gefesselt hatte. Ein neues Cultur=

1) Excudent alii spirantia mollius aera,

Credo equidem, vivos ducent de marmore voltus,
Orabunt causas melius, coelique meatus

Describent radio, et surgentia sidera dicent:
Tu regere imperio populos, Romane, memento;
Hae tibi erunt artes: pacisque imponere morem,
Parcere subjectis, et debellare superbos.

(Virg. Aen. VI, 847 —–853.)

leben erwuchs, befruchtet von den wieder erschlossenen Quellen alter Bildung, wie sie aus den biblischen Schriften und den Klassikern strömten und durch den Bücherdruck verbreitet wurden. Mit der Entdeckung neuer Welttheile rundete sich die Erde zu einem Ganzen, und auf tausend Wegen zieht seitdem europäische Gefittung in die fernen Reiche barbarischer Nationen. Immer näher rücken die Völker an einander, „und es ist keine Schwärmerei zu hoffen, daß, wo irgend Menschen wohnen, einst auch vernünftige, billige und glückliche Menschen wohnen werden; glücklich nicht durch ihre eigene, sondern durch die gemeinschaftliche Vernunft ihres ganzen Brudergeschlechtes." (Herder).

Es wäre lächerlich zu glauben, sagt Plato in seinem Staat (IV, 436), daß der Volkscharakter nicht aus dem Einzelnen in das Ganze hineingekommen sei; denn da in den Seelen der Einzelnen sich drei Arten von Kräften finden: Wissenstrieb, Thatendrang und Begierde, so ist, je nachdem dieses oder jenes in den Einzelnen vorherrscht, das Streben der Völker entweder nach dem Wissen gerichtet, wie bei den Hellenen, oder nach Krieg und Kampf, wie bei den Scythen und Thraciern, oder nach Erwerb zur Befriedigung des Begehrlichen, wie bei den Phöniciern und Aegyptern. Giebt nun die Sage dem Gründer Roms den Kriegsgott zum Vater und eine Wölfin zur Amme, so hat sie damit aussprechen wollen, daß das Muthige, die ungebundene Willenskraft, der Grundcharakter des römischen Staates von seinem Anfange an sein sollte. Wenn es irgend einem Volke, sagt Livius in der Vorrede zu seinem Geschichtswerke, gestattet sein darf, seinem Ursprunge eine göttliche Weihe zu geben und ihn auf die Götter als seine Gründer zurückzuführen, so hat das römische Belk einen solchen Kriegsruhm, daß, wenn es als seinen und seines Stifters Vater vor Allen den Mars nennt, dies sich die Völker der Erde ebenso ohne Widerspruch gefallen lassen müssen, als seine Herrschaft selbst.“

Es ist neuerdings durch Mommsens römische Geschichte recht zur Anschauung gebracht worden, daß die Geschichte Roms nichts Anders ist, als die einer Stadtgemeinde, die anfänglich das umliegende Land beherrscht und mit den Nachbarstädten

in ein Bundesverhältniß tritt, dann von der Hegemonie zur Herrschaft zuerst über das nächste Gebiet und im Laufe der Zeit über ganz Italien gelangt, hierauf durch den Zusammen= stoß mit Karthago in Sicilien aus einer Continentalmacht zu einer Seemacht wird und durch die Umstände getrieben allmälig ihre Herrschaft bis zu den Grenzen der damals bekannten Erde erweitert. Die Römer sind nicht ein Volk in dem Sinne, wie die Griechen, Perser, Aegypter, Hebräer, Inder und andere Nationen des Alterthums, die durch Abkunft, Sprache, Sitten und Religion streng von einander geschieden sind. Sie gehören ihrer Abstammung nach der italischen Nationalität an. So viel sich aus den Ueberresten der alt-italischen Sprachen schließen läßt, sind es drei verschiedene Hauptstämme, welche die Bevölkerung Italiens bildeten: die Japygen, die Italiker und die Etrusker. Die Italiker schieden sich in die Völkerschaften der Latiner und Umbrer, Marser, Volsker, Samniter. Der bewegliche Charakter der Japygen läßt sie zu einer nationalen Entwicklung nicht gelangen. Sie ver= schwinden, da sie dem umbildenden Einflusse der hellenischen Cultur, die ihnen von Ansiedlern gebracht wird, sich nicht entziehen können. Die Entwicklung des geschichtlichen Lebens der etruskischen und italischen Völkerschaften beruhte auf der Bildung von einzelnen Stadtgemeinden, die bald unter einander verbündet, bald gegen einander im Kampfe erscheinen, Verhältnisse, die im Mittelalter in denselben Gegenden wieder= kehren. In Latium, wo bisher Alba eine Art Hegemonie über die kleinern Stadtgemeinden geübt hatte, erwuchs Rom, das durch seine natürliche Lage begünstigt, bald seine Macht über die Umgegend ausdehnte und den Staat erweiterte nicht durch Bündnisse, sondern durch Vereinigung des eroberten Gebietes, indem die Mark der Eroberten zur römischen ge= schlagen, sie selbst nach Rom übergesiedelt und ihren Göttern in Rom eine neue Heimath gegründet wurde. Mit dem Falle von Alba und der Vereinigung seiner Bewohner mit der römischen Gemeinde ging die Hegemonie über die Latiner auf Rom über, das jedoch mehr als selbständiger Staat, denn als Bundesglied die Hegemonie führte und so die Hauptstadt

Latiums wurde. Die Verfassung Roms im Gegensaß zu der der andern Stadtgemeinden der italischen Völkerschaften trug alle Elemente in sich, die Bürger fest an die Stadt zu fetten, bei immer größerer Ausdehnung des römischen Gebietes doch den Schwerpunkt immer in Rom selbst zu erhalten und bei allem Wechsel äußerer Formen doch immer ihrem Wesen nach unverändert zu bleiben. Sie ist als Gemeindeverfassung der Familie nachgebildet, deren Glieder alle gleiche Rechte haben, unbeschadet der Pflicht des unbedingten Gehorsams gegen das Oberhaupt. Die römische Gemeinde, sagt Mommsen (R. G. I, S. 62), ein freies Volk, das zu gehorchen verstand, regierte sich in klarer Absagung von allem mystischen Priesterschwindel, in unbedingter Gleichheit vor dem Gesetz und unter sich, in scharfer Ausprägung der eigenen Nationalität, während zugleich dem Verkehr mit dem Auslande großherzig die Thore weit aufgethan wurden. Diese Verfassung ist weder gemacht, noch entlehnt, sondern erwachsen in und mit dem Volke. Sie ist es, die den Grundgedanken des römischen Staats für alle Zeiten thatsächlich festgestellt hat; denn trotz der wandelnden Formen steht es fest, so lange es eine römische Gemeinde giebt, daß der Beamte unbedingt befiehlt, daß der Rath der Alten tie höchste Autorität im Staate ist, und daß jede Ausnahmsbestimmung der Sanctionirung des Souverains bedarf, das heißt der Volksgemeinde.“

Die italischen Völker erscheinen, sobald sie in der Geschichte auftreten, nicht als Wilde oder Barbaren, sondern sie sind schon im Besitz einer gewissen Cultur, die im Verkehr mit andern gebildeten Nationen sich im Laufe der Zeit immer mehr erweitert. Die Landwirthschaft war ihre Hauptbeschäftigung. In Rom lag, wie Mommsen sagt, der Schwerpunkt des Staates in der Bauerschaft. Nur der Ansäßige bildete den Kern der Gemeinde; die keinen Grundbesig hatten, die Proletarier, waren zwar von manchen Lasten befreit, entbehrten aber auch dafür mancher wichtigen politischen Rechte. Die Eroberungen der Römer waren immer mit Colonisirung durch römische Bauern verbunden: „,,was die Lanze gewonnen hatte, das wurde mit der Pflugschaar zum zweiten Male erworben." Darum ist es

nicht zu verwundern, daß die Neigung für das Landleben einen charakteristischen Zug der Römer bildet. Die Beschäftigung mit dem Landbau galt selbst noch in der spätern Zeit des verfeinerten Lebens für die edelste nächst der mit Staats- und Kriegssachen:

Beglückt der Mann, der vom geschäft'gen Drange fern,
Wie in der Vorwelt Sterbliche,

Mit eignen Stieren ackernd baut das Vatergut,

Vom Wucher ganz die Seele frei! 1)

läßt Horaz noch den Wucherer Alphius sagen. Aus dieser Beschäftigung erklärt sich die kräftige und gesunde Natur, die strenge Sittlichkeit, das ernste, gegen Fremde abstoßende Wesen des Römers, Eigenschaften, die das auf den engen Familienkreis beschränkte und zu einer regelmäßigen und anstrengenden Thätigkeit zwingende Leben auf dem Lande nothwendig mit sich bringt. Fleiß und Arbeitsamkeit sind hervorstechende Tugenden des Römers. Ihm erschien der nach Lebensgenuß haschende Grieche, der Graeculus otiosus (Cic. de orat. I, 22), verächtlich. Ich bin nie weniger müßig, als wenn ich Muße habe" (nunquam minus otiosus sum, quam cum otiosus sum), pflegte der ältere Scipio Afrikanus zu sagen (Cic. de off. III, 1). Pünktlichkeit und Ordnung herrschte im Hause des Römers. Man hielt auf eine sorgsame Führung der Wirthschaftsbücher (Codices accepti et expensi), und verstand sich auf das Rechnen ganz wohl. Nur das Praktische, die materiellen Interessen Fördernde fand Aufnahme und Pflege; ein nach dem Idealen gerichtetes Streben wurde als unpraktisch verachtet. Treffend bezeichnet Horaz (Epist. II, 3, 323 sqq.) diesen charakteristischen Unterschied der Griechen und Römer:

Griechen verlieh die Muse Genie und Griechen der Rede Rundung; darum auch erstreben sie sonst nichts außer dem Ruhme.

1)

Beatus ille, qui procul negotiis,

Ut prisca gens mortalium,

Paterna rura bobus exercet suis,

Solutus omni foenore. (Hor. Epod. 2, 1—4).

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