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Die Verschiedenheit der lucilischen und horazischen Satire beruhte hauptsächlich auf der Verschiedenheit des Leserkreises, für den beide Dichter schrieben. Während Horaz als Schützling des Augustus und seiner Höflinge nur für die exclusive Gesellschaft des monarchischen Roms schrieb, wie er denn selbst räth (Sat. I, 10, 73):

Bemühe dich nicht um des Haufens Bewundrung; Sei mit wenigen Lesern zufrieden; 1)

wollte Lucilius, der republikanische Dichter, ein echter Volksdichter sein und den möglichst größten Leserkreis gewinnen. ,,Er schreibe, sagte er, für die Tarentiner und Consentiner und Siculer" (Cic. de fin. I, 3, 7). „C. Lucilius, heißt es bei Cicero (de orat. II, 6, 25), ein Mann von großer Urbanität und Gelehrsamkeit, pflegte zu sagen, daß er weder von den Ungelehrtesten, noch von den Gelehrtesten gelesen sein wolle, weil die Einen nichts verständen, die Andern aber viel= leicht mehr als er selber, und daher schrieb er auch:

Leser wie Persius kümmern nicht mich, Leser wie Lälius wünsch' ich mir. 2)

Persius war nämlich der gelehrteste unter allen Männern seiner Zeit, indeß Lälius zwar ein guter und mit der Literatur nicht unbekannter Mann war, aber an Persius Gelehrsamkeit

1)

Hoc tantum contentus, amet scripsisse ducentos
Ante cibum versus, totidem coenatus?

Fuerit Lucilius, inquam,

Comis et urbanus; fuerit limatior idem,
Quam rudis et Graecis intacti carminis auctor,
Quamque poetarum seniorum turba: sed ille,
Si foret hoc nostrum fato delatus in aevum,
Detereret sibi multa, recideret omne, quod ultra
Perfectum traheretur, et in versu faciendo
Saepe caput scaberet, vivos et roderet ungues.
Neque, te ut miretur turba, labores,
Contentus paucis lectoribus.

2) Persium non curo legere, Laelium Decumum volo.

durchaus nicht reichte." Urtheil über Lucilius auf das richtige Maß zurück, indem er jagt: „In der Satire hat Lucilius zuerst einen ausgezeichneten Ruhm erlangt und er besißt auch jetzt noch einige so enthusiastische Liebhaber, daß sie kein Bedenken tragen, ihn nicht nur den Schriftstellern derselben Gattung, sondern allen Dichtern vorzuziehen. Wie sehr ich auch von diesen in meiner Meinung abweiche, so doch auch von Horaz, welcher meint, daß Lucilius trübe fließe und daß Manches sei, was man entfernen könne. Denn in ihm offenbart sich eine bewundernswürdige Bildung und Freimüthigkeit und daraus entspringende Bitterkeit und Wit in vollem Maße.“ — Wie Plautus den richtigen Volkston getroffen hat und er dadurch der Liebling der Masse ge= worden ist, so hat Lucilius es verstanden, den großen gebildeten Mittelstand in Rom zu fesseln, und zwar nicht blos für seine Zeit; denn noch in der Zeit, als der Dialogus de oratoribus verfaßt wurde, gab es Leute, die den Lucilius dem Horaz vorzogen (Dial. de or. 23), und der Dichter Persius hat sich, durch das zehnte Buch des Lucilius begeistert, der Satire zu= gewandt (Suet. vit. Pers.). Immer bleibt dem Lucilius das Berdienst, der Schöpfer des pikanten Stiles zu sein (primus condidit stili nasum; Plin. hist. nat. praef.), der bei aller Bitterkeit und allem witzigen Spotte doch von jedem boshaften und hämischen Zusaße frei war. Daher wissen wir von keiner Verfolgung, die Lucilius seiner Angriffe wegen zu erdulden gehabt hätte; nur ein Schauspieler rächte sich an ihm durch eine persönliche Beleidigung auf der Bühne (Auct. ad Her. I, 13). Wie gut gemeint auch die Absicht des Lucilius ge= wesen sein mochte, durch seine Satiren auf die moralische Besserung seiner Zeitgenossen hinzuwirken, so war doch der praktische Erfolg gewiß nur ein sehr geringer. Es ging ihm wie den Dichtern der alten attischen Komödie; das Volk lachte und ergözte sich, die Betheiligten ärgerten sich, beide wurden aber nicht besser. Offenbar ist es daher eine poetische Ueber= treibung, wenn Juvenal (I, 165) von der Wirkung der lucilischen Satire sagt:

Quinctilian (X, 1, 93) führt das

Stets, wenn feurig Lucil gleichsam mit gezücketem Schwerte

Losbricht donnernd, erröthet der Hörer, vom Sündenbewußtsein Starr, und die heimliche Schuld des Herzens expresset ihm Angstschweiß. 1)

Die Schriften des Lucilius sind wahrscheinlich zuerst von seinen gelehrten Freunden gesammelt und von Valerius Cato redigirt worden. Dieser soll nach den dem Horaz beigelegten Anfangsversen von Sat. I, 10 fehlerhafte Verse des Lucilius verbessert haben. Man ordnete die Satiren in zwei große Partien (Libri), deren eine wahrscheinlich 25, die andere 5 Bücher umfaßte. Die ersten 20 Bücher und das 30. waren in Hexametern geschrieben, die andern in jambischen und trochäischen Versen. Die einzelnen Satiren hatten auch eigene Ueberschriften: Concilium Deorum (Lib. I), Collyra (XVI), de orthographia (IX), Fornix (vielleicht XXIX). Lucilius wird häufig, beson= ders von Grammatikern seiner Archaismen wegen, citirt. Wir besigen gegen 800 Fragmente von ihm.

Als unmittelbare Nachahmer des Lucilius nennt Horaz (Sat. I, 10, 46) den Terentius Varro Atacinus und einige Andere und deutet zugleich an, daß sie hinter ihrem Muster zurückgeblieben sind. Aus Sueton (de Gramm. 5) wissen wir, daß auch Sävius Nicanor, ein Zeitgenosse des Sulla, eine Satire geschrieben hat, worin er sich als Freigelassenen bezeichnet, und der Komödienschreiber T. Quinctius Atta soll ebenfalls Satiren verfaßt haben. M. Terentius Varro Reatinus schrieb 4 Bücher Satiren in lucilischer Manier, ist aber zugleich Schöpfer einer eigenen Gattung, der sogenannten menippeischen Satire, von der in dem zweiten Bande die Rede sein soll.

1) Ense velut stricto quoties Lucilius ardens

Infremuit, rubet auditor, cui frigida mens est
Criminibus; tacita sudant praecordia culpa.

B. Prosa.

1. M. Porcius Cato Cenforius.

Als Schöpfer der römischen Prosa kann M. Porcius Cato betrachtet werden. Was vor ihm durch die Schrift in prosaischer Rede überliefert worden ist, beschränkte sich auf kunstlose Aufzeichnung historischer Thatsachen in Annalen oder einzelner Reden, die bei verschiedenen Gelegenheiten gehalten worden waren. Von Cicero (Brut. 16) wird die Rede des Appius Claudius Cäcus über Pyrrhus außer einigen Lobreden auf Verstorbene als das erste schriftliche Denkmal dieser Art bezeichnet. Auch in der Geschichte der römischen Prosa ist der zweite punische Krieg der Wendepunkt von dem kunstlosen Gebrauche zu der künstlerischen Behandlung der prosaischen Sprache. Der Sieg über das mächtige Karthago hatte das Selbstgefühl der Römer gehoben. Man fühlte sich an Heldenmuth und Thatenruhm den Griechen ebenbürtig und das Bewußtsein der nationalen Bedeutung sprach sich den Griechen gegenüber zuerst in der Darstellung der Geschichte des römischen Bolles in griechischer Sprache aus. D. Fabius Pictor und L. Cincius Alimentus, beide, wie Dionysius von Halicarnaß sagt (1, 6), um die Zeit der punischen Kriege blühend, schrieben die Geschichte des römischen Volkes in griechischer Sprache, die Ereignisse, die sie selbst erlebt hatten, weitläufig schildernd, die ältere Geschichte aber nur summarisch (repɑhaiwdwg) durchnehmend. Was sonst unter ihrem Namen citirt wird, gehört, wie man vermuthet, andern gleichnamigen Männern zu. Ein Zeitgenosse Beider, der Senator C. Aci= lius Glabrio, schrieb eine Geschichte des zweiten punischen Krieges ebenfalls griechisch (Cie. de off. III, 32), von der später ein gewisser Claudius eine lateinische Uebersetzung verfaßt hat, die Livius benutte. Ennius und Cato waren die Ersten, die ihrem Volke die Thaten der Vorfahren und der Zeitgenossen in der Muttersprache vorführten, jener in seinen poetischen Annalen, dieser in seinen prosaischen Origines, seinem Hauptwerke.

Die Redner waren vor Cato nur Naturredner, die, von einem angeborenen Talente unterstüßt, ohne Studium und Kunst sich den Umständen gemäß auszudrücken verstanden. Durch die Tradition hatten mehrere alte Staatsmänner auch in spä= terer Zeit noch den Ruf, gute Redner gewesen zu sein (Cic. Brut. 14); vor Allen galt M. Cornelius Cethegus, College des Consuls P. Sempronius Tuditanus, 550 (204), für einen vortrefflichen Redner. Von ihm sagt Ennius:

Die Stammesgenossen von eh'dem, Alle die Leute, die damals zugleich mit ihm lebten und webten, Nannten ihn köstlichste Blüthe des Volks und Mark der

Beredung. ')

Mit Cato, seinem jüngern Zeitgenossen, beginnen die Römer die Reihe der Kunstredner.

Noch weniger als zur kunstvollen Darstellung historischer oder rhetorischer Stoffe war die lateinische Prosa als Organ der Wissenschaft bisher in Anwendung gekommen. Das Rechtsstudium, dem sich die Römer mit ausgezeichnetem Talent und allem Eifer hingaben, blieb immer nur ein praktisches, und nur für den praktischen Gebrauch dienten die Sammlungen von Rechtsformeln und Commentare der Gesetze. Was sonst ein wissenschaftliches Interesse erregte, dem suchte man vermittelst dichterischer Darstellung Eingang zu verschaffen. Schon früh= zeitig gab es Spruchbücher, die praktische Lebensweisheit lehrten, Rathgeber über Land- und Hauswirthschaft in poetischer Form. Mit der Philosophie der Griechen machten zuerst Dichter das Volk bekannt, wie Ennius in eigenen Gedichten und die Dra= matiker in gelegentlichen Anspielungen. Ja selbst die Kenntnisse der Grammatik, der Alterthümer und der Literatur wurden lange noch in poetischer Form überliefert. Auch in der wissen= schaftlichen Prosa bahnte Cato den Römern den Weg. Es kam ihm überhaupt darauf an, die echte Form zu finden

1)

Is dictus ollis popularibus olim,
Qui tum vivebant homines atque aevum agitabant,
Flos delibatus populi Suadaeque medulla.

(Cic. Brut. 15.)

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