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2) von den restierenden 15 Stunden täglich nicht mehr als 7-8 auf angestrengte geistige Arbeit verwenden dürfe und auch diese wieder mit bestimmter Vertheilung und eintretenden Pausen. Dem Müsziggang sind die übrigen Stunden nicht zu widmen, sondern dem turnen, dem musikalischen, dem spielen und dem geselligen der Freundschaft (Gymnastik 4mal). Heilig ist die Arbeit und ernst und strenge soll sie betrieben werden; aber wenn ein Knabe vom 7n bis 19n Jahr auf einem Gymnasium war, wo ihm zu weidlichen Spielen, zu allen leiblichen Künsten und zu allen wilden Entwicklungen, welche die Genossenschaft gleichen Alters liebt, nicht reichlich Zeit und Raum gelassen wurde, dann ist an ihm schwer gesündigt worden.'

Diesen Forderungen gegenüber ist die vortreffliche Abhandlung 1) Die Leibesübungen an der Realschule zu Lippstadt. Eine Berichterstattung vom Director Ostendorf. Lippstadt 1857, Druck von Blaszmann & Feige. (Programm.) 4. 19 S.

ein eben so wichtiger als erfreulicher Bericht über die erziehliche Wirksamkeit einer Schule im Sinne jener hochherzigen, leider noch nicht allenthalben vollständig gewürdigten Cabinetsordre vom 6. Juni 1842, welche die Leibesübungen als einen nothwendigen und unentbehrlichen Theil der männlichen Erziehung im preuszischen Staate anerkennt und ihren Zweck darein setzt, durch harmonische Ausbildung der geistigen und körperlichen Kräfte dem Vaterlande tüchtige Söhne zu erziehen.

Es sind uns schon treffliche Abhandlungen über die Bedeutung und Durchführung jener durch diese Cabinetsordre veranlaszten preuszischen Verordnungen zu Gesichte gekommen; aus keiner aber haben wir eine so frische und entschiedene Aufnahme und Benutzung der gymnastischen Bildungsmittel ersehen, wie aus der vorstehenden.

Die Abhandlung verbreitet sich hauptsächlich über den Geist in dem und die Art wie die Lippstadter Realschule die Gymnastik in den Kreis ihres Unterrichts aufgenommen hat, zu welchem Zwecke der Verf. eine übersichtliche Entwicklung der Gymnastik innerhalb der Geschichte der Paedagogik vorausschickt.

Die Zwecke der Gymnastik für höhere Lehranstalten sind S. 5-7 umfassend dargestellt; besonders eigenthümlich und wichtig ist aber der Abschnitt, welcher den Kreis der Leibesübungen für gedachte Schulen behandelt. Das Lehrercollegium der Lippstadter Realschule ist nemlich der Meinung, dasz es falsch sei sich auf die gewöhnlich so genannten Turnübungen zu beschränken, die ihm in keiner Weise als genügend erscheinen. Die Anstrengungen für diese bloszen sogenannten Turnübungen hätten nicht die erwarteten Erfolge gehabt und hätten weniger in sich selbst als in äuszeren Umständen ihre Stütze gefunden. Bei dem Mangel an Interesse bei der Jugend für diese Turnübungen und bei der Einseitigkeit derselben glaubt das Lehrercollegium zwar der mannigfaltigen Turnübungen nicht entbehren zu können, daneben aber besonders diejenigen

Leibesübungen anregen und befördern zu müssen, denen die Jugend mit besonderer Neigung zugethan ist.

In der weiteren Untersuchung über die Frage: welche Leibesübungen das wol wären, berührt Verf. die körperlichen Arbeiten, das tanzen, das reiten und fechten, bezeichnet aber mit gehörigen Motiven nur das schwimmen, Schlittschuhlaufen und exercieren als für die Schule nothwendige Uebungen. Aus dem Berichte ersehen wir nun ferner: wie die gedachte Schule auszer dem turnen diese Uebungen geordnet und geleitet und mit Entschiedenheit zur Erziehung ihrer Schüler benutzt hat. Die ganz vortrefflichen Einrichtungen, denen wir hier begegnen, gehen darauf hinaus Schul- und Turnleben aufs innigste mit einander zu verschmelzen. 'Denn', so bemerkt der Verf. S. 11, 'die Leibesübungen der Knaben und Jünglinge haben nur dann einen wahrhaft erziehenden Einflusz, wenn sie mit der geistigen Ausbildung derselben in engster Verbindung und Wechselwirkung stehen und im Kreise von zahlreichen Mitschülern und im Wettstreite mit ihnen betrieben werden, wenn, um mit Spiesz zu reden, einerseits das gesamte Schulleben von einem freien turnerischen Geiste beseelt wird, anderseits das Turnleben in einem gesunden Schulgeiste sich entwickelt und gedeiht. So nur können die körperlichen Uebungen vor einer Ausartung in athletische oder seiltänzerische Kunststücke bewahrt, so am besten kann die Ueberhebung wegen leiblicher oder auch geistiger Vorzüge von den Lehrern gründlich bekämpft, ein gemütlicher und sittlicher Ton unter der Gesamtheit der Schüler befördert, ein dauernder und allseitiger und dabei harmloser Wetteifer unter denselben angeregt und erhalten werden. In solch einer von der Schule geordneten und zu inniger Gemeinschaft verbundenen leiblichen und geistigen Gymnastik übt der Knabe oder Jüngling 'streitend seine Kräfte, fühlt was er ist und fühlt sich bald - wenn auch nicht ein Mann, doch zu männlichem wirken bestimmt.?

Wir sind mit dem Verf. ganz darüber einverstanden, was er über die ethische und somatische Seite jener von dieser Schule bevorzugten. Leibesübungen sagt, sind aber doch der Meinung, dasz die leibliche Ausbildung nicht hierin, sondern in einem wolorganisierten Turnunterrichte ihren Mittelpunkt finden müsse, der nicht, wie hier geschieht, auf einen Tag in der Woche zu verlegen ist.

Wenn etwas ordentliches für körperliche Ausbildung und Erkräftigung des einzelnen herauskommen soll, so müssen mindestens zwei reguläre und auf die Woche vertheilte Turnstunden auf denselben fallen. Hierbei ist sodann allen Anforderungen zu genügen, die man an eine gute Turnschule machen musz, auch dem, dasz sich der einzelne als Glied eines ganzen zu fühlen und zu wirken lernt, was die neuere Turnschule nicht durch militärisches exercieren, sondern durch die turnerischen Ordnungsübungen fördert, die mehr im Zusammenhange mit den Turnübungen und zur Unterstützung derselben auftreten. Die neuere Turnschule hat wolweislich ihre Stützpunkte und Förderungsmittel in sich selbst und nicht in auszer ihr liegenden Momenten ge

sacht und gefunden, vornehmlich durch neue paedagogisch-methodische Gestaltung ihrer Mittel, die wolweislich nach der geistigen und leiblichen Entwicklung der Jugend berechnet sind und jugendlichen Sinn und jugendliche Lust für die Sache zu wecken wissen.

Wenn jedoch der Neigung der Schüler zu viel Concessionen gemacht und die Leibesübungen selbst zum Gegenstande der Erholung and Belustigung werden, dann dürfte es gar leicht geschehen, dasz der ernste und strenge Zweck des Turnunterrichtes an dem einzelnen nicht erreicht werde, wie dies in der That die ältere Turnschule bewiesen bat, die auf das Spiel und auf das gemeinsame jugendliche ausleben den Hauptaccent legte, darüber eine harmonische Leibesbildung versäumte, sich aber auch deshalb so wenig fruchtbar für die Erziehung zeigte, dasz man zuletzt z. B. in Preuszen Veranlassung fand sie zu beseitigen.

Erst musz eine tüchtige systematische Turnschule die ebenmäszige körperliche Ausbildung des einzelnen fördern, dann mögen sich die Bewegungsspiele als ein wesentlicher Theil des turnens anschlieszen, wie es hier bei der Realschule in Lippstadt in so umfänglicher und umsichtiger Weise geschieht.

Das Beispiel Englands, welches Hr Director Ostendorf zu Gunsten einer vorwiegenden Berücksichtigung einer unterhaltenden Leibesübung anführt, erscheint uns nicht überall als maszgebend. Es verweist derselbe auf Dr Wiese's 'deutsche Briefe über englische Erziehung', worin mitgetheilt wird, dasz England in seinen höheren Lehranstalten meistens oder durchaus keinen gymnastischen Unterricht habe, was nicht zu beklagen sei, weil die jungen Leute dort an ihren vor-, trefflichen landesüblichen Spielen, die sie mit Lust betreiben, auch als Männer noch, einen hinreichenden Ersatz aller schulmäszigen Gymnastik haben. Dieser letztere Satz bedarf einiger Modificierung.

Ref. hat Gelegenheit gehabt junge Engländer auch im turnen zu unterrichten, nachdem dieselben schon die berühmtesten Schulen ihrer Heimat besucht und dort auch Gymnastik getrieben hatten. Als sie aber anfiengen nach deutscher Weise zu turnen, stellte sich bei ihnen durchweg ein Misverhältnis ihrer Leibeskräfte heraus. Die Gymnastik dieser jungen Leute hatte nemlich vorwiegend in Uebungen mit schweren Gewichten, so wie in Uebungen im hangeln an reckähnlichen Vorrichtungen bestanden, weshalb bei ihnen auch die Armmuskeln bedeutend ausgebildet waren. Durch das Cricket und andere Wurfspiele war dieser in einzelnen Fällen auffälligen Armausbildung noch besonders Vorschub geleistet worden. Die jungen Engländer fanden auch selbst den Maszstab ihrer körperlichen Ausbildung in der Derbheit und dem Umfange ihrer Armmuskeln, denn wolgefällig pflegten sie beim turnen ihren biceps brachii zu befühlen oder befühlen zu lassen. Dagegen waren sie in allen übrigen Kraftentwicklungen schwach und namentlich in der Ausbildung der unteren Extremitaten auffallend zurückgeblieben, so dasz sie sich z. B. beim voltigieren und bei den ver

schiedenen Sprungarten ungeschickt anstellten. Jene bekannte Einseitigkeit der Engländer prägt sich auch in ihrer Gymnastik aus, wel cher das harmonische abgeht, das z. B. der altgriechischen Gymnastik zu Grunde lag und auch von der neueren deutschen Turnkunst als wesentliches Element angesehen wird. In dieser Beziehung brauchen wir also von den Engländern nicht allzu viel zu lernen.

Indem wir nun weiter den Plan genauer durchlesen, welcher dem Unterrichte in den Leibesübungen bei der Realschule in Lippstadt zu Grunde gelegt worden *), finden wir dabei die wichtigsten Gesichtspunkte gewahrt und die verschiedenen Seiten der Schulgymnastik vertreten, alles theoretisch trefflich begründet und praktisch geschickt und energisch durchgeführt. Wenn dem allen durch die eigentliche Turnschule im Sinne des neueren (Spiesz'schen) Schulturnens der erste und feste Unterbau gegeben wäre, was aus der Abhandlung nicht ersichtlich, so bliebe kaum etwas zu wünschen übrig.

Bei alle dem aber hat die Realschule in Lippstadt ein schönes Stück Arbeit vollbracht und ein schönes Beispiel gegeben für viele Schulen, die ihre Aufgabe für volle Erziehung ihrer Schüler noch nicht also begriffen haben. Es kann in der That das Lehrercollegium dieser Schule seinen Ruhm darein setzen, 'dasz es die seit Erneuerung der Paedagogik im Beginne der neueren Zeit so häufig ventilierte, seit Vittorin von Feltre und dem deutschen Luther bis auf Klumpp, Spiesz, Rosenkranz, Palmer, Raumer aus den verschiedensten theologischen, philosophischen und hieraus sich ergebenden paedagogischen Gesichtspunkten beantwortete und immer wichtiger gewordene Frage der Schnl- gymnastik für seine Anstalt in einem deutschen und preuszischen Sinne zu lösen versucht habe, so viel in seinen Kräften steht, auch dahin gestrebt, dasz jeder seiner Zöglinge durch eine harmonische Ausbildung der geistigen und leiblichen Kräfte zu einem tüchtigen Sohne des Vaterlandes erzogen werde.'

*) Derselbe umfaszt. an regelmäszigen Unterrichtsstunden in den körperlichen Uebungen:

a) im Sommer:

1) am Dinstag von 6-7%1⁄2 Uhr Turnübungen in 12 Riegen, wovon 2 abwechselnd als Vorturner beschäftigt sind,

2) am Freitag Abends von 6-7 Uhr militärische Uebungen in 2 vereinigten Compagnien, während die neu eingetretenen Schüler in besonderen Abtheilungen als Rekruten ein exerciert werden,

3) an den 4 übrigen Wochentagen Abends von 5-7 Uhr Schwimmübungen in 2 aufeinander folgenden Abtheilungen; in den ersten Sommerwochen dafür je eine Stunde militärische Uebungen für die neu eingetretenen oder minder ausgebildeten Schüler;

b) im Winter:

1) am Mittwoch Nachmittags von 2-3

Uhr

an deren Stelle, so oft es

Turnübungen, 2) am Sonnabend Nachmittags von 2-3 Uhr möglich ist, Uebungen im militärische Uebungen,

Schlittschuhlaufen,

3) an den vier anderen Wochentagen einzelne Stunden für gymnastische Uebungen der neu eingetretenen oder minder ausgebildeten Schüler.

Wir müssen es uns versagen, hier alle die trefflichen Stellen die'ser Abhandlung, jene praktischen Rathschläge und Einrichtungen anzuführen, die sich auf Auffassung und Durchführung der Leibeserziehung bei den öffentlichen Schulen beziehen. Sie mag allen Gymnasial - Directoren, allen Turnlehrern und allen empfohlen sein, denen das Wohl unserer heranwachsenden Jugend wahrhaft am Herzen liegt.

2) Ueber Wesen und Ziel der paedagogischen Gymnastik und über deren Verhältnis zur schwedischen Heilgymnastik, rom Sanitätsrathe Dr Eulenburg. Berlin, Reimer. 1857. (7% Ngr.) Die Schrift des Dr Eulenburg geht von der Ansicht aus, dasz die paedagogische Gymnastik von den heilgymnastischen Cursälen aus reformiert werden müsse und ohne das Ling'sche System wenig Zukunft habe. Wir müsten vieles wiederholen, was wir gegen diese irrige Ansicht auch in diesen Blättern schon gesagt haben. Wenn Hr Dr Eulenburg in seiner Abhandlung behauptet, dasz die Spiesz'schen Frei- und Ordnungsübungen den Ling'schen ganz ähnlich wären and vor diesen keinen Vorzug verdienten, so ist das eben kein sachverständiges Urteil; denn bei genauerer Kenntnis musz man finden, dasz diese ganz unabhängig von Ling aufgestellten und angewendeten Spiesz'schen Uebungsarten ihre besonderen Eigenthümlichkeiten haben, die bei Ling so nicht vorzufinden sind. Dadurch, dasz das Ling'sche System die Auffassung des turnens auf anatomisch-physiologischer Basis bis zur Einseitigkeit verfolgt hat, resultiert es auch mehr für medicinische Heilanstalten. Für ein paedagogisches turnen reicht es damit nicht aus; denn hier kommen die Beziehungen der Leibesübung zum Geistes- und Gemütsleben der Schüler gar wesentlich in Betracht. Und davon ist in der Abhandlung des Sanitätsrathes Eulenburg wénig zu spüren, wenn wir auch zugeben wollen, dasz einige therapeutische Winke darin für den Turnlehrer Beachtung verdienen.

3) Die neuere Gymnastik und deren therapeutische Bedeutung. Von Dr Hermann Meyer, ordentl. Professor der Anatomie in Zürich. Zürich, Verlag von Meyer & Zeller. 1857. gr. 8. 31 S. (61⁄2 Ngr.)

Jedenfalls wichtiger und für Turnlehrer ausgiebiger ist die Schrift des Professor Meyer, weil hier von einer Autorität einmal ein entscheidendes Wort über die eigentliche therapeutische Bedentung der Gymnastik und über den Werth der verschiedenen Methoden derselben gesprochen wird.

Für seinen Zweck geht der Verf. auf die historische Entwicklung der Gymnastik ein und unterscheidet eine erste Periode, in welcher die Gymnastik nur eine Vorübung für bestimmte Zwecke war, und eine zweite Periode, welche mit Ende des vorigen Jahrhunderts begann, als einsichtsvolle Schulmänner die paedagogische Bedeutung der Leibesübungen mit Bewustsein erkannten. Es entstand die paeda

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